Die Formel 1 spricht nicht mehr deutsch
Im kommenden Jahr plant die Formel 1-Weltmeisterschaft 24 Rennen. Um Deutschland macht der Grand Prix Zirkus allerdings weiterhin einen großen Bogen. Seit 2020 fand auf deutschem Boden kein Rennen mehr statt, und es sieht auch nicht danach aus, dass in naher Zukunft wieder ein Großer Preis von Deutschland veranstaltet wird. Bei deutschen Fahrern ist die Situation ähnlich düster: 2010 waren mit Nico Rosberg, Nico Hülkenberg, Timo Glock, Adrian Sutil, Nick Heidfeld, Michael Schumacher und Sebastian Vettel sieben Deutsche in der Formel1 aktiv. 2023 könnte – wenn es ganz schlecht läuft- kein einziger Deutscher in der Königsklasse mehr am Start sein.
Sebastian Vettel beendet seine Karriere und Mick Schumacher muss um seinen Platz in der Königsklasse zittern. Die Chancen, dass Schumacher bei seinem bisherigen Team Haas bleibt, bezeichnete Haas-Teamchef Günther Steiner in einem Interview mit „50:50“. Keine beruhigende Aussage und eigentlich der Fingerzeig, dass sich der Sohn des siebenfachen Weltmeisters Michael Schumacher nach einem anderen Team umschauen sollte. Aber wo ist für 2023 überhaupt noch Platz? Verfügbar sind neben Haas noch Cockpits bei Williams und Alpine. Bei beiden Teams ist Schumacher offenbar nicht erste Wahl. Alpine versucht nach dem Abgang von Alonso den Franzosen Pierre Gasly von Alpha Tauri abzuwerben. Das wird aber nur funktionieren, wenn Alpha Tauri einen interessanten, schnellen Ersatz für Gasly verpflichten kann. Zuerst interessierte sich AlphaTauri – das Schwester-Team von Red Bull – für den US-Amerikaner Colton Herta. Das amerikanische Supertalent aus der Indycar-Serie hat jedoch nicht genügend Punkte für die Formel 1-Superlizenz gesammelt.
Jetzt verhandelt Alpha Tauri angeblich mit dem Formel E -Weltmeister von 2021 Nyck de Vries. Der 27 jährige Holländer hat bei seinem überraschenden Einsatz in Monza für Williams eine sensationelle Leistung abgeliefert und beendete sein Debütrennen auf Platz 8. Angenommen, Alpha Tauri holt De Vries und Alpine bekommt seinen Wunschpiloten Gasly, dann ist noch ein Platz bei Williams frei und natürlich das Haas-Cockpit. Bei Haas fragt man sich derzeit, was besser für das Team ist: ein junger Fahrer wie Schumacher, der einige teure Unfälle gebaut hat oder ein erfahrener Pilot wie Nico Hülkenberg, der es gewohnt ist, den Wagen in die Punkte zu fahren? Hülkenberg ist seit 2020 nur noch als Ersatzpilot für verschiedene Teams an den Start gegangen. Reicht das, um wieder ein Stamm-Cockpit zu ergattern? Hülkenberg ist mit 35 Jahren genauso alt wie Sebastian Vettel und steht damit in der Endphase seiner Karriere. Trotz seines zweifellos großen Talents hat es für ihn in 181 Formel 1 Rennen seit 2010 nicht einmal zu einem Podiumsplatz gereicht.
Wie die Karriere von Mick Schumacher 2023 weitergeht, wird sich in den kommenden Wochen entscheiden. Erschreckend ist, dass sich in den Nachwuchsserien momentan kein deutscher Fahrer aufdrängt, den Weg in die Formel1 zu schaffen. Damit zeigt sich auch das größte Problem des deutschen Rennsports: deutsche Sponsoren scheinen nicht bereit, ausreichende Summen in die Karrieren erfolgversprechender deutscher Nachwuchs-Piloten zu investieren. Der Rennsport ist mittlerweile einfach zu teuer geworden: eine Go-Kart-Saison kostet 250.000 Euro, eine Formel 4-Saison rund 500.000 und eine Formel3-Saison gut eine Million Euro. In der Formel 2 werden dann wohl schon eta 2,5 Millionen Euro fällig. Welche Sponsoren investieren derartige Summen ohne garantierten Gegenwert in Sendezeit oder Publicity?
Formel 1-Boom hat die Kosten massiv ansteigen lassen
Bei den deutschen Rennstrecken ist die Problematik ähnlich. Weder die Eigentümer des Hockenheim-Rings noch die des Nürburgrings können sich die derzeit aufgerufenen Antrittsgelder für die Formel1 leisten. Der weltweite Boom der Formel1 hat dazu geführt, dass für neue Verträge heute doppelt so viel Antrittsgeld verlangt werden kann wie noch 10 Jahren. Parallel dazu hat sich die Formel1 von einem klassischen Rennsport-Wochenende zu einem hochklassigen Freizeit-Event gewandelt. Die neue Rennstrecke von Miami rund um das Hard Rock Stadium konnte sich im Mai dieses Jahres vor Zuschauern kaum retten. Klassische Formel1-Fans waren dabei sicher in der Minderheit. Trotzdem haben die täglich mindestens 100.000 Leute ihren extrem teuren Besuch genossen. Sie wollten beim ersten F1-Rennen in Miami einfach dabei sein. Auch das Rennen in Las Vegas wird im kommenden Jahr „the place to be“ sein. Schon jetzt sind die Hotels in Las Vegas ausgebucht und die Preise sind ins astronomische gestiegen. Formel1-Eigentümer Liberty Media hat es durch die massive Öffnung aller Social Media Kanäle und durch die Netflix-Serie „Drive to Survive“ geschafft, ein völlig neues Publikum an die Formel1 heranzuführen.
Andere neue Strecken erhalten großzügige staatliche Unterstützung: das Rennen in Katar wird in den nächsten 10 Jahren veranstaltet, weil die Herrscher von Katar ihren Grand Prix subventionieren. Ähnlich verhält es sich mit dem GP in Saudi-Arabien (Jeddah).
In Deutschland hat die Ampel-Regierung bestimmt andere Sorgen, als ein Formel1 Rennen zu unterstützen. Aber auch andere europäische Veranstalter haben mit den steigenden Antrittsgeldern der Formel1 ihre Mühe: In Belgien muss die wallonische Regionalregierung das Event seit Jahren unterstützen, hinter Imola steckt italienisches Regierungsgeld, in Österreich ist der Grand Prix von Red Bull finanziert, in Holland durch Hauptsponsor Heineken – mit Max Verstappen als Zugpferd für ein ausverkauftes Zandvoort. Dabei ist gerade der GP Holland ein Beispiel, wie man ein F1-Event heute organisieren muss. Die feierwütigen Holländer werden hier von Freitag bis Sonntag bei Laune gehalten. Das Rennen wird fast zur angenehmen Nebensache.
Hoffnung durch den Einstieg von Audi und Porsche
Und in Deutschland? Den letzten, 2019 veranstalteten Grand Prix von Deutschland in Hockenheim finanzierte zumindest teilweise Mercedes. Der einzige Lichtblick für die kommenden Jahre ist der Einstieg von Audi in die Formel1. Der deutsche Premium-Hersteller wird ab 2026 mit einem eigenen Motor und einem eigenen Team – aller Voraussicht nach das Schweizer Sauber-Team – an den Start gehen. Eigentlich plante auch Porsche ab 2026 wieder in die Formel1 einzusteigen. Aber letztendlich haben sich die Verhandlungen mit Wunschpartner Red Bull zerschlagen. Der Porsche-Einstieg steht momentan in den Sternen, vor allem weil der Porsche-Motor zusammen mit Red Bull entwickelt werden sollte. Jetzt müsste Porsche die gesamte Entwicklung selbst stemmen. Als Team würde sich McLaren oder Williams anbieten.
Sowohl Audi als auch Porsche müssten Interesse daran haben, dass es bei ihrem Einstieg wieder einen Grand Prix in Deutschland gibt. Und ein deutscher Fahrer wäre aus Marketing-Sicht bestimmt auch attraktiv. Insofern könnte das Engagement der deutschen Automobilhersteller in der Formel1 dem deutschen Motorsport einen echten Re-Start geben. Und Mick Schumacher muss es irgendwie schaffen, bis dahin in der Formel1 zu bleiben…