„Wir arbeiten an einem neuen Manta“
Deutschland ist einer der fortschrittlichsten Märkte in puncto Elektromobilität
Wir sprachen mit Opel CEO Florian Huettl
DIE AUTOSEITEN: Herr Huettl, der deutsche Automobilhersteller Opel ist integriert im Stellantis-Konzern. Wie fügt sich die Marke ein?
Florian Huettl: Opel ist die einzige deutsche Marke im Konzern mit 14 Marken, der ja seit Februar 2021 besteht. Wir sind mit Abstand die größte Stellantis-Marke in Deutschland, mit Vauxhall sind wir die mit Abstand größte Marke in Großbritannien und verkörpern innerhalb unseres Konzerns auch die mitteleuropäische Autophilosophie, sprich die Werte, die in Deutschland und England traditionell eine Rolle spielen. Davon abgesehen sind alle vierzehn Marken hierarchisch auf derselben Ebene eingeordnet. Wir versuchen die Kraft und das Potenzial von Stellantis bestmöglich für die einzelnen Marken zu nutzen.
DIE AUTOSEITEN: Wo sehen Sie den Hauptvorteil des Zusammenschlusses, dass Opel im Stellantis-Konzern integriert ist?
Florian Huettl: Stellantis ist der profitabelste Autokonzern der Welt. Wir sind in der Lage, die Herausforderungen, die vor der Branche liegen, zu meistern. Ich spreche hier von der Transformation hin zur Elektromobilität, zu noch stärker integrierten Datenmodellen, zu vertikaler Integration von Rohstoffen bis zum Batterie-Recycling. All das können Sie in einem starken Verbund wesentlich besser schultern als Sie das als einzelner Hersteller realisieren würden. Und das ist die große Stärke von Stellantis. Wir schaffen Synergien, die eine eigenständige Markenführung mit wesentlich mehr Freiheiten und besserem Zugriff auf Top-Technologien erlauben. Das ist ein Riesenvorteil, den wir im Konzern haben.
DIE AUTOSEITEN: Derzeit befindet sich die Automobilindustrie in einem großen Umbruch, Stichwort Elektromobilität. Wie fügt sich hier Opel ein? Wo sehen für Sie die größte Herausforderung?
Florian Huettl: In der Tat durchläuft die Automobilindustrie im Moment den größten Umbruch seit ihrer Entstehung. Wir gehen weg von Verbrennungsmotoren hin zu Elektromotoren, wir gehen zu wesentlich stärker digitalisierten Geschäftsmodellen. Wir nutzen digitale Technologien, etwa bei den Fahrassistenzsystemen und im Zusammenhang mit den verschiedenen Levels beim autonomen Fahren. Es ist aktuell sehr viel in Bewegung. Und ja, wir bei Opel sehen das ganz klar als eine Chance. Wandel bedeutet immer auch Chance und Gelegenheit, sich ein Stück weit neu aufzustellen, neu zu erfinden. Opel geht seit einigen Jahren konsequent den Weg der Elektromobilität. Wir haben angefangen, unsere bestehenden Modelle sukzessive zu elektrifizieren. Das heißt, auf Multi-Energy-Plattformen aufzubauen. Den neuen Corsa, Mokka und Astra gibt es schon heute als reine Elektrofahrzeuge. Die ganze Nutzfahrzeugpalette gibt es rein elektrisch. Zudem gibt es Produkte wie den Opel Rocks Electric, der komplett anders ist und bereits Jugendliche ab 15 Jahren anspricht. So erfindet sich Opel Stück für Stück neu. Und wir haben das konsequent umgesetzt.
Wir präsentieren aktuell den Corsa Electric in seiner neuen Version. Wir werden nächstes Jahr den Nachfolger des Crossland und den neuen Grandland auch als Elektrovariante auf den Markt bringen. Damit können Sie Ende 2024 jeden Opel auch batterie-elektrisch kaufen. Damit machen wir einen großen nächsten Schritt. Und es folgen weitere. So sind ab 2025 alle neu vorgestellten Fahrzeuge ausschließlich batterie-elektrisch. Unsere Strategie trägt Früchte. Und der Übergang zur Elektromobilität ist für den Kunden mit Opel einfach. Ein aktuelles Beispiel: Sie kommen zu Opel, da Sie den Corsa kennen und sich für ihn interessieren. Den Corsa gibt es seit 41 Jahren, und der Opel-Händler Ihres Vertrauens kann Ihnen dann auch den Corsa als Elektroauto präsentieren. Und Sie können entscheiden, ob Sie bereit sind für die Elektromobilität oder lieber nochmal einen Verbrenner fahren wollen. Somit ist der Übergang bei uns sehr einfach. Damit wächst Opel heute sehr stark. Wir haben im aktuellen Jahr per Ende September global fünfzehn Prozent mehr Autos verkauft als im Vorjahr und dieses Wachstum ist vor allem von Elektro-Modellen getrieben. Wir haben dieses Jahr weltweit rund 30 Prozent mehr Elektroautos verkauft als 2022, und wir sind einer der ganz wenigen Hersteller in Europa, denen es gelingt, einen höheren Marktanteil im Elektrogeschäft zu realisieren als im klassischen Geschäft. Dies zeigt uns auch, wir sind schon heute vorne dabei und je mehr der Elektromarkt wächst, umso besser ist das für unsere Kunden und uns selbst.
DIE AUTOSEITEN: Welchen Stellenwert hat der deutsche Markt innerhalb des europaweiten Elektro-Markts?
Florian Huettl: Der deutsche Markt ist einer der fortschrittlichsten Märkte in puncto Elektromobilität. Der Anteil rein elektrischer Pkw liegt im bisherigen Jahresverlauf bei 18 Prozent – je nach Monat und Stand der Fördermaßnahmen. Andere Märkte, die auch schnell vorangehen, sind England, die Niederlande und die Schweiz. Frankreich ist auch schon sehr gut im Thema. Und dann gibt es einige Märkte im Süden Europas, wo aus verschiedenen Gründen der Weg in die Elektromobilität noch ein bisschen langsamer voranschreitet. Der europaweite Elektromix ist natürlich auch immer etwas abhängig von den besagten Fördermaßnahmen. Gerade in Deutschland ist jetzt die BAFA-Förderung für gewerbliche Kunden ausgelaufen. Das bedauern wir sehr, und das sorgt leider auch für Verwirrung bei den Kunden. Damit müssen und werden wir umgehen, aber insgesamt ist der Trend klar: Der Elektromarkt legt zu.
DIE AUTOSEITEN: Welche Chance räumen Sie in diesem Umfeld dem Plug-in-Hybrid ein?
Florian Huettl: Der Plug-in-Hybrid ist eine sehr gute Brücken-Technologie. Sie können heute mit einem Plug-in-Hybriden von Opel beispielsweise 55 Kilometer rein elektrisch zurücklegen. Darüber hinaus gibt es einen Verbrauchsvorteil von zwei, zweieinhalb Liter Super gegenüber vergleichbaren reinen Benzinern. Und insofern hat der PHEV auch heute seine Position und Bedeutung. Wir bieten den Plug-in-Hybrid beim neuen Astra und Grandland an. Nichtsdestotrotz ist klar, dass auf dem Weg in die Elektromobilität reine Elektroantriebe sehr schnell die Oberhand gewinnen werden.
DIE AUTOSEITEN: Sie haben auf der IAA Mobility ein sehr spezielles Fahrzeug gezeigt, den Opel Experimental. Inwiefern ist das Zukunftsmusik?
Florian Huettl: Der Opel Experimental öffnet bei uns ein neues Kapitel in der Geschichte der Marke. Auch in Vergangenheit gab es ab und an Opel-Konzeptfahrzeuge, die wir sehr ähnlich in die Serie überführt haben. Ein gutes Beispiel dafür ist der GT X Experimental, den wir im Jahr 2018 vorgestellt haben. Der GT X Experimental stand für die Neudefinition des Opel-Designs, die unser Team damals entwickelt hatte. Nach monatelanger Arbeit wurde letztlich definiert, was einen Opel ausmacht – und all das haben wir dann in den GT-X Experimental gegossen. Eineinhalb Jahre später wurde daraus der Opel Mokka. Der Opel Experimental repräsentiert die Weiterentwicklung unserer Designsprache. Ab 2024 werden wir deutlich mehr mit Licht arbeiten. Sie sehen am Experimental bereits das beleuchtete Logo, die beleuchtete Front. Sie sehen den neuartigen 4D-Visor wie wir sagen, weil wir auch die Sensoren darin entsprechend verstecken. Wir haben eine klare Philosophie und fokussieren uns auf das Wesentliche. Zusammenfassend ist der Opel Experimental eine klare Vision für unsere gesamte Marke. Die Studie zeigt, wohin die Reise von Opel in den kommenden Jahren geht. Sie wird Einfluss auf alle Serienfahrzeuge der nächsten Generationen nehmen.
DIE AUTOSEITEN: Heute gibt es sehr traditionelle Modellreihen wie Corsa und Astra. Früher gab es auch einen Manta. Ist zu erwarten, dass es einen neuen Manta geben wird?
Florian Huettl: Ja, wir arbeiten an einem neuen Manta. Freuen Sie sich auf ein sehr charakteristisches Design. Kein Retro! Der Manta ist eine automobile Legende in Deutschland und damit gehen wir respekt- und verantwortungsvoll um. Und werden das, was Opel in der Vergangenheit stark gemacht hat, auch in die Zukunft mitnehmen. So wird es im Elektrozeitalter immer einen Corsa geben, das ist ganz klar für uns. Der Corsa symbolisiert über vierzig Jahre Opel, ist das Herz der Marke. Genauso gehören der Mokka und andere etablierte Modelle zu Opel. Gleichzeitig gibt es immer mal wieder Möglichkeiten, insbesondere in einem starken Konzern wie Stellantis, auch andere Konzepte zu entwickeln und weiterzubringen.
DIE AUTOSEITEN: Opel, für was steht die Marke auf dem deutschen Markt?
Florian Huettl: Wenn man einen Opel kauft, kauft man ein deutsches Auto. So werden Sie in unseren Autos auch immer die klassischen deutschen Werte entdecken und erleben: das dynamische Fahrverhalten, die direkte Lenkung, die hohe Qualität. Eben alles, was ein deutsches Auto ausmacht. Zudem blicken wir optimistisch auf den Wandel. Das macht auch unsere Marke aus. Wir sehen den Wandel als Chance. So haben wir es auch immer wieder in der Vergangenheit gelebt. Und Sie werden unsere Autos grundsätzlich immer auf der mutigen, progressiven Seite der Entwicklung im Autogeschäft sehen. Auch das zeigen wir mit unserer Elektrostrategie. Zusammengefasst: Wir sind eine moderne, progressive, deutsche Marke, die optimistisch in die Zukunft schaut.