Aston Martin auf der Überholspur
Formel 1 Designer Adrian Newey verlässt nach 20 Jahren Red Bull
Am 10. September 2024 erfüllte sich für Aston Martin Besitzer Lawrence Stroll der größte Wunsch: er gab bekannt, dass Formel 1 Design-Genie Adrian Newey ab 2025 zu seinem Formel 1 Team wechselt. Damit ist dem kanadischen Milliardär Stroll sein bisher größter Coup gelungen.
Newey hatte im Mai nach 20 erfolgreichen Jahren (4 WM-Titel mit Sebastian Vettel, 3 mit Max Verstappen) das Red Bull-Team verlassen. Eigentlich deuteten alle Anzeichen darauf hin, dass Newey zu Ferrari wechseln würde, aber die Verhandlungen mit den Italienern gerieten ins Stocken. Adrian Newey stellt hohe Ansprüche, die man besser erfüllt, wenn man den erfolgreichsten Formel 1 Designer aller Zeiten (13 Fahrer- und 12 Konstrukteurstitel bei Williams, McLaren und Red Bull) verpflichten möchte. Offenbar ging Ferrari nicht auf alle Forderungen ein und Lawrence Stroll witterte seine Chance.
Hintergrund: Der Kanadier kann sehr überzeugend sein, wenn er etwas wirklich will. Ein Beispiel: als Stroll eines Abends in einem New Yorker Steakhaus ungewöhnlich gutes Fleisch vorgesetzt bekam, fragte er den Besitzer, woher die Steaks kommen. Die Antwort: von einer speziellen Farm, die das Fleisch exklusiv an das Restaurant liefert. Stroll bat, diese Steaks für sich und seine Familie geliefert zu bekommen. Der Restaurantbesitzer lehnte ab. Daraufhin kaufte Stroll einfach die Rinder-Farm….
Stroll hat sein 2018 übernommenes „Racing Point“-Team ab 2021 in Aston Martin umbenannt, weil er mit einem Konsortium von Investoren die britische Automobilmarke Aston Martin gekauft hatte. Seither läuft sein Projekt, Aston-Martin zu einem WM-fähigen F1-Team auszubauen. Der Milliardär hat viele Millionen in den Bau mehrerer komplett neuer Gebäude nahe der Rennstrecke von Silverstone investiert, hat zahlreiche Ingenieure eingestellt – verpflichtete 2021 zunächst Sebastian Vettel als Fahrer und ab 2023 Fernando Alonso neben seinem Sohn Lance. 2023 war Aston Martin mit Alonso, der seinen zweiten Frühling in der F1 erlebte, die Überraschung des Jahres. Insgesamt acht Mal fuhr Alonso auf das Podium und das Team beendete die Saison auf Platz fünf.
Dennoch sind 2023 und auch 2024 Aufbaujahre für das Team. Stroll hat zusammen mit seinen Partnern (darunter der saudi-arabische Staatsfond Aramco) Millionen investiert und Verträge für die Zukunft abgeschlossen. Ab 2026 wird das Team exklusiv von Honda mit den derzeit für das neue Reglement entwickelten Power Units ausgestattet. Als neuen CEO des F1 Teams verpflichtete er Andy Cowell, den Vater der Mercedes F1 Power Units, die von 2014 an die Formel 1 beherrschten. Er überzeugte den Ferrari-Technikchef Enrico Cardile zu Aston Martin zu kommen. Schon 2022 war Red Bulls Aerodynamik-Chef Dan Fallows zu Aston-Martin gewechselt.
Adrian Newey war bei einer Führung durch den ultramodernen F1 Campus von Aston Martin offenbar so beeindruckt, dass er einem Vertrag mit Stroll zustimmte. Seine Verpflichtung als sogenannter „Managing Partner“ ist jetzt die Krönung, der letzte Baustein, um Aston Martin auf die Erfolgsspur zu bringen. „Lawrence Stroll ist der einzige Teambesitzer, der sich wirklich aktiv für den Sport engagiert. Das schafft eine ganz besondere Atmosphäre. Am Ende war es eine natürliche Entscheidung. Es hat sich früh abgezeichnet, dass ich hier arbeiten will. Die Rolle als Teilhaber und Partner ist neu – zuvor hat sich diese Chance nie ergeben“, erklärt Newey seine Entscheidung.
Aston Martin wird damit zu einem echten Herausforderer der „großen Vier“ Red Bull, Mercedes, Ferrari und McLaren. „Wir fokussieren uns auf 2026, das Jahr in dem die Formel 1 das Reglement wechselt“, sagte Stroll bei der Vorstellung von Adrian Newey. Bei einem Reglementwechsel ist es beruhigend, Newey an Bord zu haben. Aber 2026 stehen auch die neuen Power-Units im Fokus. Wichtigste Änderung: 50 Prozent der Leistung werden elektrisch bereitgestellt. Eine große Herausforderung für die Hersteller. Die Frage ist, wer sie am besten meistert? 2014, in diesem Jahr wurden erstmals Hybrid-Motoren in der Formel 1 eingesetzt, hatte Mercedes die Nase vorn. Aber die stärkste Power-Unit der vergangenen Jahre hat Honda gebaut und die Japaner rüsten ab 2026 exklusiv Aston Martin aus.
Lawrence Stroll hat für sein Formel 1-Team die Farm mit den besten Steaks aufgekauft. Er hat aus dem bescheidenen Racing-Point-Team in Silverstone einen ultramodernen Campus gemacht, auf dem sich die besten Ingenieure tummeln und wohlfühlen. Fernando Alonso wird Aston Martin bis in die Saison 2026 begleiten. Der heute 43 jährige Spanier ist nach wie vor euphorisch, für das englische Team zu fahren. Aber 2026 wird er 45 Jahre alt und man hört, dass er Ende 2026 seine Karriere an den Nagel hängt. Lawrence Stroll hat also noch eine Aufgabe: Er muss für sein Team den besten Fahrer verpflichten, der die technische Basis, die Honda und Adrian Newey zweifellos liefern werden, in Grand Prix Siege umwandelt.
Wer es schafft Newey zu verpflichten, der greift auch auf dem Fahrermarkt in die oberste Schublade. Und da steht zweifellos Max Verstappen. Dem Holländer, der bei Red Bull einen Vertrag bis Ende 2028 hat, wird nachgesagt, nach einer Ausstiegsklausel zu suchen, um Red Bull mittelfristig verlassen zu können. Deshalb arbeitet Lawrence Stroll seit Abschluss des Projekts „Newey“ jetzt mit Hochdruck daran, Max Verstappen von seiner Vision zu begeistern und zu überzeugen. Dabei hat er mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff einen starken Gegner, der alles versucht, Verstappen zu Mercedes zu locken. Wie sich Verstappen am Ende entscheidet, ist offen, aber alle großen Namen, die Stroll bis jetzt verpflichtet hat, sagen, dass der Kanadier sehr überzeugend sein kann, wenn er etwas wirklich will.
F1-Photos by Lukas Gorys